Geschichte der deutschen Migration by Dirk Hoerder
Autor:Dirk Hoerder
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406692642
Herausgeber: C.H.Beck
f) Weitere Zielregionen: Australien, Neuseeland
Da Australiens Kolonien/Staaten jeweils ihre eigene Einwanderungspolitik verfolgen konnten und ihre Zentren weit voneinander entfernt lagen, entstand keine integrierte deutschsprachige Gruppe. Bis 1914 und darüber hinaus bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges blieb die deutsche Auswanderung nach Australien und Neuseeland gering (Johannes H. Voigt). Wie in Europa wanderten anfangs einzelne Experten: Landvermesser und Astronomen, die Regierungsdienste suchten; Forschungsreisende und Missionare; Mitglieder einer altlutherischen Gemeinde, die sich dem brandenburgischen Staat entziehen wollten. Erste agrarische Siedler wurden ob ihrer Fachkenntnisse angeworben: Winzer als Pioniere für Weinanbau in New South Wales und South Australia. Im Zuge klassenspezifischer, internationalistischer Mobilität kamen Zigarrenarbeiter, die ihre Route Hamburg/Bremen-Kuba-Manila (Philippinen) nur geringfügig ausweiten mussten.
Landwirtschaftliche Siedlerkolonien entstanden seit 1850, und ab 1851 kamen Abenteurer im Zuge des «Goldrausches», in den 1860er Jahren auch nach Neuseeland. In staatlich unterstützter Auswanderung kamen Bergmannsfamilien aus dem Harz – nach Erschöpfung der Silberadern eine Region großer Armut. Die rauschhafte Auswanderung – aber auch die Flexibilität des Transportsystems – zeigt sich daran, dass in nur drei Jahren, 1855 bis 1857, 42 Schiffe mit Auswanderern allein aus Hamburg eintrafen. Queensland warb Migranten mit Landzuweisung und als Arbeiter an; in den 1870er Jahren trafen mehr als 10.000 ein. In den 1880er Jahren begannen sich Vereine, Arbeiterorganisationen und Kirchengemeinden zu bilden sowie, im Zuge nationalistischer Ideologie, ein kurzlebiger Ortsverein des Alldeutschen Verbandes in Sydney. Wie in allen Einwanderungsregionen war «deutsch» ein umfassender Begriff, der Sorben und Böhmen einschloss.
Schon um 1910 beklagte der national denkende deutsche Generalkonsul das Absterben des Deutschtums. Angesichts der deutsch-britischen Konkurrenz in Europa wuchs die angloaustralische Aversion auch gegen naturalisierte Einwanderer deutscher Herkunft. 1914 wurden sie zu enemy aliens erklärt, 1918 wurden in Fortsetzung der Kriegshysterie 6000 Menschen des Landes verwiesen, und deutsche Einwanderung blieb bis zur Mitte der 1920er Jahre verboten. Die übrig gebliebene Community entschied sich Anfang der 1930er Jahre, einen «Bund des Deutschtums» zu etablieren, der sich unter anderem mit Zuschüssen aus dem nationalsozialistischen Deutschland finanzierte. So gerieten deutsch-australisch akkulturierte Männer und Frauen und ihre Kinder in Konflikt mit alldeutschen oder «deutschstämmigen» Richtungen. Auswanderung und Deutsches Reich, zweites oder drittes, waren miteinander verquickt – zum Schaden der Mehrzahl der Einwanderer.
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